Emily in Paris 3

Am 21. Dezember kommt Emily auf Netflix zurück: Mademoiselle Lili kauft schon mal Macarons und freut sich auf das nächste Schaumbad voller Paris-Klischees.


Sie hat Paris eine neue Touristenattraktion geschenkt: Emily Coopers Wohnung am Place de l’Estrapade wird auf Google Maps längst als „Sehenswürdigkeit“ gelistet. Diese nassforsche, absurd aufgetakelte PR-Assistentin aus Chicago, die in Paris ihren Kulturclash erlebt, bescherte Netflix einen phänomenalen, weltweiten Erfolg und Paris einen neuen Touristenboom. Die gute Nachricht vorab: Emily geht nicht zurück nach Chicago, sondern bleibt in Paris; der Instagram-Account der Schauspielerin Lily Collins spricht Bände.


Auch ich klebte am Bildschirm und konnte nicht genug bekommen. Keine Serie, kein Film spielt so virtuos und amüsant mit komplett wahren und irrsinnig falschen Stereotypen, mit pointierten Insider-Witzen und Modereferenzen, die auch mich, Expat und Modeexpertin in Paris seit über elf Jahren, nicht langweilen. Schließlich kommt man der komplexen Wirklichkeit oft nur in der karikaturenhaften Überzeichnung näher. Liegt nicht in jedem Stereotyp auch ein bisschen Wahrheit?


Besonders gelungen ist die Figur der französischen Agenturchefin Sylvie, arrogant bis zur Schmerzgrenze ihrer jungen Mitarbeiterin Emily und servil bis zur Selbstverleugnung ihren Kunden gegenüber. Sie verkörpert authentisch nicht nur den sehr Pariserischen Typus einer eleganten, taffen Geschäftsfrau, die berufliche und private Liaisons gekonnt vermischt, sondern auch das System Mode an sich: Diese schillernde Blase von Egos, Eitelkeiten und Ehrgeiz, in der jeder jeden nach seiner Nützlichkeit für sein eigenes Fortkommen sondiert und behandelt. Eine Blase von Seilschaften und Vetternwirtschaft, in der Karrieren tatsächlich oft im Bett entschieden werden. Eine Blase, in der jeder Angst vor dem Todesurteil hat, der nächste Has Been, auf französisch „ringard“, zu sein. Die komödiantischen Scharmützel zwischen den fiktiven Marken Grey Space und Pierre Cadault spiegeln die realen Machtkämpfe in den traditionellen Pariser Modehäusern wider, die von einer neuen Generation von Designern erobert werden.


Völlig unrealistisch ist jedoch der Lifestyle von Emily: Ihre Wohnung am Place de l’Estrapade ist kein „Chambre de Bonne“! Diese Dienstmädchenzimmer unterm Dach haben meist nicht mehr als zehn Quadratmeter. Eine Wohnung wie ihre kostet heute mindestens 1600 Euro kalt und ist damit ebenso unbezahlbar für eine PR-Assistentin wie ihre Garderobe im Film, die in jedem Motiv etwa einem Jahresgehalt entspricht. Woher ich das weiß? Als ich selbst nach Paris kam, ging ich in genau diesem Haus ein und aus, weil eine Freundin dort wohnte. Die schöne Film-Fassade des Hauses trügt: Drinnen fiel in Wahrheit überall der Putz von der Decke und platzten Wasserleitungen so häufig wie Emilys Liebeleien: So landete sie schließlich das erste Mal unter Gabriels Dusche.


Trotz allem lässt die Serie mich träumen: Von meiner Stadt in einer gebügelten Disneyversion, in der die Straßen stets blitzsauber sind und an deren Café-Terrassen nicht alle zehn Minuten ein Bettler vorbeikommt. Sie zeigt ein erträumtes Paris, das auch viele Pariser immer noch im Herzen tragen und nicht loslassen wollen. Sie ist wie ein Glas Champagner für die Seele.