Und schon wieder ist Fashion Week! Die Pandemie, so muss ich heute sagen, hat auch für positive Veränderungen in den Ritualen der Modebranche gesorgt. Das Line-Up der Live-Defilees hat sich gelichtet, ebenso wie die Zuschauerreihen: Man muss sich nicht mehr 50 Zentimeter Sitzplatz zu zweit teilen, und man ist nicht mehr ständig in Hetze, es von einem Event zum nächsten zu schaffen.
So hat man genug Distanz und auch die Zeit, sich die Menschen um einen herum genauer anzuschauen. So saß ich letztens bei Louis Vuitton und fühlte mich wie in der Fankurve bei einem Champions-League-Finale. Fast alle Gäste waren von Kopf bis Fuß in Louis-Vuitton-Logos gehüllt. LV-Monogramme und die typischen braunen Damier-Muster, wohin das Auge reicht: Groß und plakativ auf Plüschjacken, quer über die Brust oder den Rücken. Klein und hundertfach auf Schuhen und Anglerhüten, Taschen, Schmuck und Gürteln. Selbst auf Jogginghosen! Da ich mal davon ausgehe, dass sich kein Gast traut, mit einer Fälschung von einem Straßenmarkt in Asien oder Nordafrika beim echten Louis Vuitton aufzutauchen, muss es wohl so sein, dass das Luxushaus solch banalen Beinkleider wirklich anbietet. Nur warum gibt es Menschen, die geschätzt 1200 Euro für eine Louis-Vuitton-Jogginghose ausgeben, die aussieht, als wäre sie eine Fälschung von einem Straßenmarkt in Asien oder Nordafrika?
Die Logomania der 80er Jahre ist zurück. Zuerst war es nur das kleine Krokodil von Lacoste auf dem Poloshirt oder das blau-rote F von Fila, mit dem der Träger seinen Status ausdrücken wollte, dann plusterten sich die Markennamen auf dem Rücken von T-Shirts und Sweatshirts auf und machten die Besitzer zu wandelnden Werbeträgern. Die afroamerikanischen Rapper in Harlem, New York, trieben den Markenkult auf die Spitze, in dem sie Insignien der weißen Oberschicht kaperten und gefälschte Logo-Mixe europäischer Luxushäuser ampelgroß auf Lederjacken und Hoodies druckten.
Irgendwann galt dieses Geprotze als vulgär und peinlich, zumal es erst meist Markenpiraten waren, die sich trauten, falsche Luxuslogos auf Billigtextilien zu drucken und millionenfach zu verramschen. Ein armes Würstchen, der es nötig hat, so penetrant Reichtum vorzutäuschen oder vorzuzeigen. Erst kämpfte die Luxusindustrie gegen diese Kannibalisierung ihres Images, jetzt macht sie selbst mit. Von Dior über Chanel bis Louis Vuitton – kaum ein Modehaus, das heute nicht mit Logos auf seinen Produkten wuchert. Gerade kommt die 100-Jahre-Gucci-Kollektion in die Läden und Chefdesigner Alessandro Michele setzt noch einen drauf: Auf einigen Mänteln und Blazern prangt sogar ein Doppellogo: Gucci und Balenciaga. So wie FC St. Pauli und FC Bayern München auf einem Fan-Schal. Kein namhaftes Modemagazin, das dieses Detail nicht mit schnappatmenden Worten wie „revolutionär“ belegte. Genial oder banal, den Konsumenten scheint’s zu gefallen, wenn ich sehe, mit welcher Inbrunst sie sich mit Logos zupflastern. Und gut, dass es nach dem Defilee nicht gleich zum nächsten ging. Ganz in Louis Vuitton bei Hermès Platz zu nehmen, das wäre wirklich ein No-Go.